MUSIK, KINO,
WERBUNG

Abseits der Comics: Hugo Pratt, wie Sie ihn (vielleicht) noch nicht kennen! 

„Corto Maltese“ kennen die meisten. Von den „Wüstenskorpionen“ hat man vielleicht schon gehört oder gelesen. Vielleicht hat man auch schon etwas von einem weiteren Comic von Pratt mitbekommen. Natürlich gibt es viele Bücher über Hugo Pratt und sein Werk. Aber kennt man ihn auch abseits seiner Comics? Wenn nicht, dann wird es Zeit, die andere Seite dieses Ausnahmekünstlers kennenzulernen

DESIGN UND WERBUNG

Wer weiß zum Beispiel, dass er 1993 im Auftrag des Tabakherstellers „Gitanes“ für den französischen Rennstall Ligier eine Sonderlackierung für den Formel-1-Boliden des Rennfahrers Martin Brundle entworfen hat? Der Rennwagen mit dem von Pratt gestalteten Design fuhr die letzten beiden Grand Prix der Saison in Japan und Australien und genießt noch heute als Miniaturmodell unter Sammlern und F1-Fans Kultstatus. 

Oder wer wusste, dass Hugo Pratt auch als Illustrator für belletristische Literatur gewirkt hat? 1969 zum Beispiel hat er für ein englisches Literaturmagazin eine Originalgeschichte des russischen Meistererzählers Alexander Solschenizyn mit Illustrationen geschmückt. Oder dass er für das Sportbekleidungsunternehmen Puma 1984 eine ganze Werbekampagne entwickelte mit Corto Maltese im Mittelpunkt? Der Werbeslogan lautete: „Puma – nur für abenteuerlustige Füße“. In einem einseitigen Comic wurde dazu die von Corto vorgetragene Geschichte von Puma erzählt, dem Zwillingsbruder von Ozelot (zwei angeblich aztekischen Göttern). Am Ende der Geschichte heißt es: „Der ‚himmlische Wanderer‘ ist nicht nur ein Mythos. Hier präsentiere ich euch Puma, der dank seiner magischen Schuhe immer einen Schritt voraus war.“

Als der italienische Hersteller der weltberühmt gewordenen „Moleskine“-Notizbücher noch nicht einmal gegründet war, ließ Pratt 1985 für die nach seiner Hauptfigur benannten Zeitschrift „Corto Maltese“ als Beigabe ein edles schwarzes Notizbuch produzieren (sowie ein handliches Telefonnummernregister, etwas, das in Vorzeiten der Mobiltelefonie noch ziemlich praktisch war). Kalender haben es Hugo Pratt ebenfalls immer schon angetan und am liebsten holte er sich dafür Verstärkung bei befreundeten Comic-Künstlern – so etwa entstanden Kalender in Kollaboration mit Guido Crepax, Dino Battaglia, Franco Caprioli, Rino Albertarelli und Walter Molino. Die Kalender waren stets international gefragt. Doch auch für kleinere Aufträge ließ sich Hugo Pratt erwärmen, wenn die Idee oder das Produkt ihm gefielen: Ein Weinetikett für den Schweizer Winzer Domaine Wannaz in Chenaux im Kanton Waadt, Werbepostkarten für befreundete Veranstalter oder sogar Tarot- bzw. Spielkarten. Er machte eben, was ihm Spaß bereitete. 

Carpenè Malvolti, 1993

Carpenè Malvolti, 1993

Credits: CONG SA

Atelier du voyage, 1988

Atelier du voyage, 1988

Credits: CONG SA

F1 Ligier-Renault Gitanes

F1 Ligier-Renault Gitanes, 1993

Credits: CONG SA

Puma, 1985

Puma, 1985

Credits: CONG SA

MUSIK UND STIMME

quante vele quanti nodi
quante storie da inventare
dare un volto a un altro amore
dare un nome a un nuovo mare

Ornella Vanoni

Sogni, dedicata a Hugo Pratt

Als Musikliebhaber, der in allen Genres Zuhause war, aber vor allem den Jazz liebte – wer es noch nicht weiß: In Argentinien wurde er gleich ein guter Freund von Dizzy Gillespie! –, war Pratt sofort Feuer und Flamme, wenn es darum ging, die Plattencover seiner Musikerfreunde zu gestalten. Er illustrierte Cover für Paolo Conte, Sergio Endrigo, Sylvia Fels, Lio, Totò, Marc Robin, Ogoun Ferraille, Nino Ferrer und viele mehr. Seine Liebe zur Musik ging sogar so weit, dass er, was immer noch die wenigsten wissen, selbst gerne das eine oder andere Liedchen vortrug, wovon es leider aber kaum Zeugnis gibt.

Einzige Ausnahme: 1981 nahm er für den Dokumentarfilm „La ballade plus loin“ von Michel Tournier und Jean Claude Guilbert eine Version von „Maid of Amsterdam“ auf, eine traditionelle Ballade aus dem Großbritannien des 16. Jahrhunderts, die unter den Matrosen von Königin Elizabeth I. (1533-1603) sehr beliebt war.

Diese Rarität von Hugo Pratt kann man übrigens heutzutage als Einzelstück in der 2009 veröffentlichten dreiteiligen CD-Box „Notes de voyage – Les musiques de Corto Maltese“ finden.

 

VOR, HINTER UND AUF
DER KINOLEINWAND

Pratt liebte das Kino. Abenteuerkino, Actionkino, Marlowes Detektivfilme, die großen Klassiker bis hin zu den Filmen des von ihm verehrten Ridley Scott. Mehr zum Spaß als auf der Suche nach einer neuen Karriere spielte er zwischen 1977 und 1992 sogar in vier Filmen mit. Und man muss sich direkt eingestehen: Dieser Kerl hätte es natürlich auch als Schauspieler weit gebracht.

Überzeugen kann man sich davon in dem Liebesfilm „La notte dell’alta marea“ (1977, keine deutsche Fassung vorhanden) von Luigi Scattini mit Anthony Steel und (in einer Nebenrolle) Pam Grier, in dem Pratt die Figur Pierre, den Besitzer einer Blue-Jeans-Firma, spielt. 1978 ist Pratt dann sowohl als Co-Szenarist und Darsteller an der Parodie über die faschistische Ära Italiens „Quando c’era lui… caro lei!“ (keine deutsche Fassung) beteiligt, die von Regisseur Giancarlo Santi umgesetzt wurde – Pratt spielt hier die Rolle eines Politikers (Rossetti), der mit seinen anarchistischen Ansichten scheitert. 1986 sieht man ihn dann in dem französischen SciFi-Thriller „Mauvais sang“ (Dt.: Die Nacht ist jung) von Leos Carax mit den Stars Michel Piccoli und Juliette Binoche. 1992 schließlich spielt er den Commissario Straniero in der morbiden Krimikomödie „Nero“ von Giancarlo Soldi nach einem Drehbuch des Comic-Szenaristen und „Diabolik“-Erfinders Tiziano Sclavi.